Seit Oktober 2007 betreibt der Dresdner Kulturjournalist und Dozent Martin Morgenstern die Seite "Musik in Dresden". Das tagesaktuelle Kulturportal liefert "Rezensionen vielversprechender neuer CD-Aufnahmen Dresdner Künstler, Interviews mit nervösen Dirigenten, neuen Intendanten und neurotischen Kulturpolitikern", wie es in der Selbstdarstellung heißt. Seit kurzem wirbt Musik in Dresden mit namhaften Größen der Dresdner Kulturszene für das eigene Angebot. Ein Interview mit Gründer und Betreiber Martin Morgenstern.
Flurfunk Dresden: Musik in Dresden wirbt gerade mit Eigenanzeigen (ein Motiv s. unten) in verschiedenen Kulturpublikationen wie "semper!" sowie den Programmheften der Dresdner Musikfestspiele und des Hellerauer TonLagen-Festivals - warum?
Martin Morgenstern: Damit wollen wir vor allem diejenigen neugierig machen, die das Internet noch nicht so oft nutzen. Ein Musiker der Staatskapelle sagte mir kürzlich, er lese »Musik in Dresden« unheimlich gerne, die Texte seien spannender als in den Tageszeitungen. So etwas freut mich natürlich. Andererseits treffe ich auch immer wieder kulturinteressierte Dresdner, die von www.musik-in-dresden.de noch nichts gehört haben. Aber die kriegen wir auch noch...
Flurfunk Dresden: Als eigenständiges Medium, dass ausschließlich online publiziert, finanziert Ihr euch über Anzeigen. Lohnt sich das überhaupt?
Morgenstern: Nein :) Aber der finanzielle Aspekt steht bei »Musik in Dresden« auch nicht im Vordergrund. Mit den Anzeigengeldern kann ich die Autoren hin und wieder mal auf einen Wein einladen, und letztes Jahr ist etwas übriggeblieben für eine Auftragskomposition. Alexander Keuk schreibt momentan an Violasonaten für den Bratscher Nils Mönkemeyer. Wenn wir Glück haben, landen die Stücke auf dessen nächster CD. Wäre doch toll! Um solchen 'Mehrwert' geht es mir vor allem.
Flurfunk Dresden: Oder ist die Arbeit reine Selbstausbeutung?
Morgenstern: Gern würde ich den Autoren der Seite auch irgendwann Texthonorare zahlen. Ich würde es nicht Selbstausbeutung nennen, aber Uneigennützigkeit ist schon dabei, wenn man für »Musik in Dresden« schreibt, klar.
Flurfunk Dresden: Wer arbeitet überhaupt mit - bist Du eine One-Man-Show mit Anhang? Wie setzt sich die Redaktion zusammen?
Morgenstern: Ein gutes Dutzend Autoren schreibt auf www.musik-in-dresden.de, darunter gestandene Musikjournalisten wie Boris Michael Gruhl, Michael Bartsch oder Michael Ernst, aber auch Liebhaber-Autoren. Ich finde, wir kriegen da inzwischen eine gute Mischung hin zwischen Anspruch und Unterhaltung. Ein riesengroßes Plus sind unsere ausführlichen Interviews: Bei uns gibts eben keine Beschränkung der Zeilenzahl, weil an dem Tag auch noch Dieter Wedel auf die Kulturseite gequetscht werden muss.
Flurfunk Dresden: Wie ist die Resonanz auf Musik in Dresden? Welches Feedback kommt von den Kultureinrichtungen?
Morgenstern: "Fantastisch! Dürfen wir bitte auch Werbung schalten auf eurem großartigen Portal?" Ach, Moment, das war jetzt Wunschdenken.
Flurfunk Dresden: Wer sind Eure Wettbewerber im Pressemarkt - die Kulturteile der Tageszeitungen? An wem messt Ihr Euch?
Morgenstern: Ich verstehe »Musik in Dresden« nicht direkt als Wettbewerber der Tageszeitungen. Die Bezahlschranke von SZ-Online ist ein echter Abturner, und dass die "DNN" fast keine Rezensionen mehr online bringt, zeigt, wie wenig Bedeutung sie dem Medium beimessen (oder wie viel Angst vor Abonnentenschwund sie haben). Im Online-Bereich sind wir momentan in Dresden ohne nennenswerte Konkurrenz.
Flurfunk Dresden: Wie sind Deine/Eure Planungen - ist langfristig ein Ausbau auch in andere Mediengattungen oder Themenbereiche gedacht?
Morgenstern: Eine halbjährliche Print-Auskopplung der besten Interviews und der spannendsten Features, abgerundet durch die Besprechung der wichtigsten Neuerscheinungen von Dresdner Künstlern - das hätte schon was. Dafür bräuchten wir aber weitere begeisterte Mitstreiter und Sponsoren. Thematisch erweitert haben wir uns allmählich; bei der augenblicklichen Mischung Klassik-Tanz-Jazz und ein klein bisschen Sonstiges soll es bleiben.
Flurfunk Dresden: Wenn Du etwas an der Dresdner Medienlandschaft ändern könntest - was wäre das?
Morgenstern: Die Dirigentin Alondra de la Parra hat momentan 40.000 Follower auf Twitter. Wo immer sie dirigiert, pilgern ihre Fans hin. Ich verstehe nicht, warum Philharmonie, Staatskapelle & Co. dieses Potential an jungem Publikum nicht abrufen. Wir haben nach wie vor zwischen den Angeboten für Schulen und dem Standardpublikum über 60 ein gähnendes Loch. Jan Vogler und Dieter Jaenicke sind die einzigen in Dresdens "Hochkultur"-Szene, die das aus meiner Sicht halbwegs erfolgreich bespielen und auch Leute zwischen 25 und 35 in ihre Veranstaltungen locken. Ein weites Feld... müssten wir aber ein andermal diskutieren.
Flurfunk Dresden: Vielen Dank für das Interview!
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