Medien zum #19Februar: Übersicht über die lokale Medienberichterstattung

"Eine Stadt im Ausnahmezustand" - treffender kann man Dresden gestern (19.2.2011) wohl nicht beschreiben. Schon die Ankündigungen versprachen, dass es extrem spannend, vielleicht sogar gefährlich werden würde: Drei angemeldete Nazi-Veranstaltungen, zu denen zwischen 4.000 und 6.000 Rechtsextreme aus ganz Europa erwartet worden waren (am Ende waren es höchstens 1.500, verteilt über verschiedene Standorte), 20.000 Gegendemonstranten, darunter wohl einige Tausend gewaltbereite Autonome, und dazwischen 4.000 Polizisten mit der gerichtlichen Auflage, die Nazi-Veranstaltungen zu ermöglichen. In der Innenstadt und der südlichen Vorstadt ging tatsächlich den Tag über nichts mehr.

Medial ging in der Stadt dafür umso mehr. Es gab Einiges an Berichterstattung - in ganz unterschiedlicher Qualität. Hier der Versuch einer Übersicht (mit der Bitte an die Leser, die Ausführungen in den Kommentaren zu ergänzen; die Medien in alphabetischer Reihenfolge):

BILD Dresden
BILD-Online berichtet den ganzen Tag über live auf den eigenen Regionalseiten - und liefert damit einen der aktuellsten Nachrichtenticker in der Stadt. Nachteil: Durch die App-Strategie von "BILD" ist bspw. auf dem iPhone oder dem iPad nur die gedruckte "BILD"-Ausgabe zum Blättern zu finden - für Menschen unterwegs ist der Ticker also nicht zu gebrauchen. (Korrektur: Bitte diese Anmerkungen aus den Kommentaren unten beachten). Dafür wird auch die Facebook-Seite von BILD-Dresden immer mal aktualisiert, etwa mit einem Hinweis auf den Live-Ticker auf der Webseite oder auch mit Einträgen von Lesern, die an die Pinnwand schreiben können. Oder sogar auch mal ein Video. Auch bei Twitter wird den Tag über fleißig aktualisiert, allerdings ohne den Hashtag #19Februar.

Coloradio
Einmal im Jahr, zum 13.2.2011, hat Coloradio seine "Sternstunde" - in diesem Jahr legt das Freie Radio gleich noch zum 19.2. nach: Mit Live-Berichterstattung über den gesamten Tag informiert es aus dem laufenden Sonderprogramm. Auch auf Twitter wird regelmäßig aktualisiert.
Allerdings macht man aus der eigenen Parteilichkeit und fehlender Distanz keinen Hehl. So findet zum Beispiel Gewalt, die von linken Autonomen ausgeht, im Coloradio-Twitter-Stream nicht statt - dafür ist schon mal von Polizei-Gewalt die Rede. Auch an anderer Stelle leidet die journalistische Glaubwürdigkeit: Am Mittag meldet Coloradio, dass eine angebliche Messerattacke von Nazis auf Linke in einem Regionalzug bestätigt sei - ohne weiteren Quellenhinweis. Der DNN-Twitter-Account meldet später, dass es für diese Meldung keine Bestätigung durch die Polizei gebe.
Auf der Facebook-Profilseite fließen 1:1 die Twitter-Meldungen mit ein; Pinnwand-Einträge von Außenstehenden ergänzen dort das Informationsangebot (und verwirren durchaus auch, weil man Nachrichten und Meinungsäußerung nur schwer auseinander halten kann). Abgesehen davon weichen die Zahleneinschätzungen auf @coloradio erheblich von denen anderer Medien (mal zum Vergleich) und der Polizei ab.

Dresden Fernsehen
Laut Webseite berichtet Dresden Fernsehen in einer Sondersendung um 19.30 Uhr (mit Wiederholungen 21, 22 und 23 Uhr). Es ist ein Ticker verlinkt, der beständig aktualisiert wird (bzw. sich bei Aktualisierung durch die Redaktion selbst neu lädt). Im Schnitt sind diese Ticker-Meldungen allerdings einen oder zwei dürftige Sätze lang - das lässt den Nutzer meist sehr ratlos zurück. Wesentlich aufschlussreicher, dafür nicht so übersichtlich, sind die im eigens eingerichteten Menüpunkt 19. Februar eingestellten Meldungen. Die Überschriften laufen samt Verlinkung auch bei Twitter auf - womit der Twitter-Account @DresdenNews ebenfalls zu den ganz aktuellen Angeboten in der Stadt gehört. Am Rande der Meldungsseite sammeln sich außerdem Bilder in der MMS-Nachrichten-Bildleiste. Irgendwie haut das aber noch nicht so richtig hin mit der Nutzerführung auf der Webseite: Ticker und Meldungen müsste man wohl irgendwie noch zusammenbringen.

DresdenEins
Keine Live-Berichterstattung, nirgends. Über den Tag verwaistverweist auf der Webseite ein Hinweis auf den Bericht um 18 Uhr. Der kommt dann auch. Das war's.

Dresdner Neueste Nachrichten
DNN-Online hat zum 19. Februar ein Spezial eingerichtet. Der Twitter-Stream @dnn-online wird beständig und permanent aktualisiert - hier ist man permanent auf dem Laufenden. Dort erfährt man auch, dass neue Fotos hochgeladen oder wenn das Spezial erweitert worden ist. Schade, dass der Twitter-Stream nicht groß auf der Startseite von DNN-Online eingebunden und zu finden ist. Ein Zeichen der Größe (und das man was von Online versteht): Man hat keine Probleme, auch andere Medien zu retweeten. Auf der Facebook-Fanpage ist durch die aktuellen Verlinkungen klarer ersichtlich, dass auf DNN-Online beständig etwas passiert.
Bemerkenswert: Zum Abend erscheint eine Übersicht: "Der 19. Februar bei Twitter: Unmut, ein wenig Weltgeltung und Justin Biber".

MDR Regional Dresden
In der Landeshauptstadt brennen Barrikaden, im MDR-Fernsehen läuft "In aller Freundschaft" bzw. "Cafe Trend". Bei MDR-Info ist Sport zu hören. Radio MDR1 Sachsen unterhält dagegen mit "Spiel, Sport und Spaß am Samstagnachmittag" (Stand: 16.30 Uhr, regelmäßige Nachrichten und einige Live-Berichte wollen wir mal unterstellen). Am Abend (vorher auch? Ich bitte um Ergänzung) gibt es bei MDR-Info Live-Schaltungen aus der Stadt (wir haben zu dem Zeitpunkt mal genauer reingehört) - im Wechsel mit Sportberichten.
Auf mdr.de/sachsen/dresden wird dagegen über den Tag immer mal aktualisiert. Es gibt eine Bildgalerie, ferner sind einzelne Radio-Beiträge von MDR1-Sachsen eingebunden, später am Abend kommt noch der Sachsenspiegel von 19 Uhr dazu (erste Bewegtbilder sind sogar vorab ab 18 Uhr zu sehen - oho!). Der Sachsenspiegel widmet immerhin seine kompletten ersten 15 Minuten (von fast 30) dem Thema - aber wie das so ist beim Fernsehen: Es werden die fertigen Bilder des Tages gezeigt, die Live-Schaltungen in die Dresdner Innenstadt hinken den noch laufenden Entwicklungen hinterher. Trumpf für den Sachsenspiegel: Es gibt eine animierte digitale Karte, die die Situation in Dresden erklärt. Online ist die aber nur im Video zu sehen, dass erst nach der Sendung eingebunden wird. Vor allem im Vergleich mit Bild-Online und SZ-Online kann der MDR über den Tag nicht im Ansatz mithalten. Oder anders  gesagt: Online ist beim großen MDR ganz offensichtlich nach wie vor ein nachrangiger Kanal. Bitte beachten Sie dazu auch unseren Kommentar: "Kommentar zum 19. Februar 2011: Echtzeit? Beim MDR ein Fremdwort."

Nachtrag: Beachten Sie in diesem Zusammenhang bitte auch unsere Meldung: "MDR-Rundfunkrat: Sondersitzung der Landesgruppe Sachsen zum 19.2.2011".

Radio Dresden
Ausführliche Live-Berichterstattung liefert dagegen Radio Dresden. Das Einschalten des Webstreams bringt Popmusik - dazwischen fällt das Wort "Sondersendung" (Stand: 17 Uhr; ich bitte um Ergänzung). In jedem Fall zählt der Twitter-Stream @radiodresden zu den aktivsten und aktuellsten an diesem Tag. Auch hier zeigt man, dass man Online verstanden hat - etwa durch das Retweeten von anderen Medien. Gegen 20 Uhr erfolgt ein Tweet mit Verlinkung auf eine Tageszusammenfassung und eine Bildgalerie auf den Seiten von Radio Dresden. Kleiner Wehmutstropfen: Der Twitter-Stream ist auf der Startseite doch sehr weit unten versteckt.

SZ-Online
Bei der "SZ" hat man im Gegenzug zum Öffentlich-Rechtlichen verstanden, welche Möglichkeiten Online bei solchen Ereignissen bietet - auch hier gibt es einen richtig gut gemachten Online-Ticker, der permanent aktualisiert wird (und der in einer ganz anderen Liga spielt als der von Dresden Fernsehen). Er ist den ganzen Tag über von der Top-Meldung auf der Startseite aus verlinkt (Nachtrag:) und fließt auch beim Twitter-Account @szonline ein. Leider geht der Ticker am Mittag ständig in die Knie, die Seite kann immer mal nicht geladen werden. Wirklich schade um die redaktionell sehr gute Arbeit.
Aber: Im Gegensatz zum taz-Ticker ist nicht ersichtlich, wie viele Menschen hier mitarbeiten. Schade auch, dass man nicht zwischendurch Bilder verlinkt oder den Mut aufbringt, auf andere zu verweisen. Trotzdem: in der Summe richtig gut gemachtes Nachrichtenangebot.

Andere
Einen vorbildlich und sehr gut gemachten aktuellen Ticker über den Tag bietet taz-Online. Im Gegensatz zu Bild.de kennzeichnet man hier beispielsweise eindeutig, wenn man eine dapd-Meldung einfließen lässt (es ist doch reichlich irritierend, wenn auf einmal auf beiden Tickern - taz und BILD - ein wortlaut gleicher Text zu finden ist). Außerdem ist am Ende des taz-Tickers ersichtlich, wie viele Personen beteiligt sind. Auch Unsicherheiten oder spontane Entscheidungen ("Ein taz-Reporter fährt ihnen mit dem Auto entgegen") werden klar kommuniziert. Sehr gut gemacht!

Twitter & Co.
Sicherlich eine ganz eigene Rolle spielt Twitter mit seinen vielen tausend Nutzern: Wesentlich schneller als alle anderen Medienangebote, laufen hier den ganzen Tag über im Sekundentag neue Meldungen auf. Unter dem Hashtag #19Februar vermischen sich allerdings Kommentare (auch von Nazis), Nachrichten und bezeiten auch - offenbar bewusst gestreute - Falschmeldungen.
Spannend: Links zu Youtube-Videos (wie dieses hier vom Nazi-Angriff auf ein alternatives Wohnprojekt) sowie Fotos von Privatpersonen ergänzen das Bild, dass die Medien zeichnen. Twitter und Co. sind eine sinnvolle Ergänzung, sofern man wirklich ganz aktuell informiert sein will - relevant wird es aber erst durch die Angebote, wie sie von @radiodresden, SZ-Online, taz-Online und Bild-Online geliefert werden. Oder andersrum: Nach den Erfahrungen im Vorjahr, als Twitter den Tag über wesentlich besser informierte, haben die meisten Medien in der Stadt ihre Lehren daraus gezogen.

Keine Berücksichtigung in dieser langen Liste haben die von Initiativen eingerichteten Medienkanäle wie dresden-nazifrei.de (Die Webseite ist zur Stunde mal wieder down) oder der dazugehörige Twitter-Account @dd_nazifrei - wenn sie auch eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Theoretisch könnte man auch die online zugänglichen Meldungen der Polizei-Direktion Dresden verlinken - das würde aber ebenfalls den Rahmen sprengen. Ich bitte um Verständnis - mir geht es um die Medien in der Stadt.

Im übrigen freut sich die Kommentarspalte um Ergänzungen und Kritik!

Nachtrag: Auch Zeit-Online twittert live am 19.2.2011 aus Dresden. Unter dem Twitter-Account @zeitonline_pol sind über den Tag zwei Zeit-Autoren (s. Bild unten) mit aktuellen Meldungen aktiv.

11 Kommentare
  • RalfLippold
    Februar 20, 2011

    @Peter, Hinweis auch Twitterstream http://twitter.com/DNN_online war auch der Printausgabe der DNN vom gestrigen Samstag zu entnehmen. Social Media slowly infuses the media landscape - the printed one!

  • Uwe Werner
    Februar 20, 2011

    Eine gute und wie ich finde, auch ganz objektive Zusammenstellung. Am gestrigen Tag können sich Medien und Medienmacher als Maßstab nehmen, um zus chauen, was funktioniert hat und was nicht.

  • Christian Fischer
    Februar 20, 2011

    Sehr gute Übersicht mit gelungener Analyse. Eine Korrektur sei denoch erlaubt, denn Du scheinst unsere Apps nicht zu haben, lieber Peter ;) Auch auf iPhone oder iPad war der Live-Ticker im App 1:1 leicht zu verfolgen! Er war sogar als einer der Hauptteaser auf der bundesweiten Startseite der Apps geschaltet. Übrigens: Du kannst bei dem iPad-App sogar zwischen PrintAusgabe, Appstyle und BILD.de wählen ;) Sicher hatten Apple-User ohne App wegen der Sperre in Safari keinen direkten Zugang auf den Ticker (man wird dann immer auf die mobil-Variante mit Bezahlsystem gelinkt). Aber so teuer sind die Apps nicht und bei den Reportern von uns draußen auf der Straße lief den ganzen Tag daheim die Miete weiter. Wir wollen Journalisten auch im Zeitalter mobilester Medien bezahlen können, aber das ist eine andere Debatte. Lg Christian

  • owy
    Februar 20, 2011

    @Christian: Danke für die Korrekturen, habe es im Text gerade vermerkt. Ich habe mir gestern (nachdem ich mich lange geweigert hatte) die BILD-iPad-App angeschafft - habe dann aber in der Hektik wohl nicht richtig geschaut.

    Und Twitter hat in der Situation bitter versagt: http://twitter.com/pstawowy/status/39103165735514112

  • Mirko Jakubowsky
    Februar 20, 2011

    Wäre noch nachzutragen, das der Twittername der SZ @szonline ist.

  • owy
    Februar 20, 2011

    @Mirko Jakubowsky Richtiger Hinweis, danke. Habe es gerade noch eingefügt!

  • Peter
    Februar 21, 2011

    Sehr interessante Zusammenfassung. Allerdings zeugt es meiner Meinung nach nicht von Groesse. wenn man Meldungen anderer Medien retweetet. Gerade fuer Medienmacher sollte die Ueberpruefung von Fremdnachrichten im Vordergrund stehen.

  • stefanolix
    Februar 22, 2011

    Vielen Dank für die Analyse. Die Rolle von coloRadio ist aber aus meiner Sicht sehr zurückhaltend beschrieben. Wenn man an einem solchen Tag dort Musik aus der militanten autonomen Hausbesetzer-Szene spielt, in der Steinewerfen und Brandsätzewerfen verherrlicht wird, dann muss man sich fragen, mit welcher Absicht solche Musik eingesetzt wird. Angesichts des liebevoll so genannten »Mollies« kommt mir das Wort von den geistigen Brandstiftern immer deutlicher in den Sinn.

    http://stefanolix.wordpress.com/2011/02/20/aktionsradio/

  • stefanolix
    Februar 22, 2011

    PS: Im Rahmen der Meinungsfreiheit kann vieles gesagt werden, auch radikale politische Meinungen. Aber Meinungsfreiheit muss auch mit Verantwortung genutzt werden. Die Landesmedienanstalt sollte das Programm des gesamten 19. Februar unabhängig daraufhin prüfen, ob es geeignet war, zur Eskalation beizutragen.

    Viele andere Songtexte enthielten im Grunde nur hohle Revolutionsrhetorik. Aber die Zielgruppe wird damit mobilisiert. Welche Folgen das Werfen von Steinen und Brandsätzen hat, konnten wir am Samstag sehen.

    Mit gutem Grund geht man gegen die sogenannte »rechtsextreme Rockmusik« vor, sofern darin Gewalt verherrlicht wird. Nach den Ereignissen am Samstag sollte man auf dem linken Auge nicht blind sein.

  • Peter Macheli
    Februar 22, 2011

    In einem Lied kam sogar f*cken drin vor!

  • stefanolix
    Februar 22, 2011

    Das ist doch schon mal besser als Steinewerfen ;-)

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