Lesehinweis: Thilo Specht hat vor wenigen Tagen in seinem Blog Cluetrain PR ein bemerkenswertes Stück veröffentlicht, dass sich mit der Zukunft von Radio und Fernsehen im Internet-Zeitalter beschäftigt.
Specht vertritt darin die Meinung, dass die Konsumenten keinen Grund mehr haben, auf derzeit (noch) gängige Massenprogramme zurückzugreifen. Denn die dienen primär der Werbeummantelung und nicht der qualitativ hochwertigen Unterhaltung oder Information. Zitat:
"Vielleicht dauert es fünf Jahre, vielleicht sogar zehn. Doch irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft werden Fernsehsender keine Daseinsberechtigung mehr haben. Genauso wenig wie Dudelfunk. Denn die Distribution passender Inhalte erledigen andere Anbieter schon heute viel besser, smarter und kundenfreundlicher. Wir werden für Inhalte zahlen, die wir uns selbst zusammenstellen oder Werbung in Kauf nehmen, die nicht mehr auf 14 bis 49 zugeschnitten ist, sondern unseren tatsächlichen Interessen entspricht."
Spechts Text trägt den Titel: "Exitus, Sendeschluss – Wie Internet und Social Media den Rundfunk abschaffen" und ist parallel auch bei Carta erschienen - dort findet sich auch eine Diskussion in den Kommentaren unter dem Text.
Aus Spechts Argumentation folgt eine andere Frage, die mir in jüngster Zeit häufiger begegnet: Welche Folgen hat das Ende der "Massenmedien" für den Journalismus?
Denn das die Massenmedien mit rückläufigen Zahlen im Niedergang im Wandel sind, daran zweifelt angesichts von aktuellen Branchenzahlen wohl niemand mehr.
"Es drohe die Fragmentarisierung der Öffentlichkeit, also die Gefahr, dass die Öffentlichkeit in viele kleine Teilöffentlichkeiten zerfasert – und am Ende mit der öffentlichen Kommunikation auch die Gesellschaft zerfällt",
fasst das Stück: "Journalismus ohne Zukunft?" im aktuellen Newsletter des Instituts für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden die Bedenken zusammen - die ich so nicht teile. Auch wenn der Text mit einer Seite für das Thema sehr kurz ist, wägt er doch beide Seiten ab und benennt den aktuellen Forschungsstand. Auch dorthin geht von hier eine Leseempfehlung - und zwar direkt zur Seite 6 (hier geht es zum PDF).
Ich bezweifle, dass die "Fragmentisierung der Öffentlichkeit" tatsächlich eintritt bzw. das Argument gilt: Auch, weil der Zustand mit über hundert TV- und Radio-Programmen und nochmehr Zeitungen und Zeitschriften im Grunde längst gegeben wäre. Auch das immer wieder kehrende Argument, dass es im Netz beizeiten schwer ist, den Absender und die Interessenslage der Berichterstattung zu durchschauen, kann ich nicht gelten lassen - schließlich ist das bei den klassischen Medien heute auch der Fall.
Mal anders gefragt: Welchen "inhaltlichen" Anspruch hat ein Medium (noch), wenn es - wie gerade beispielhaft der vergleichenden Inhaltsanalyse der Thüringer Landesmedienanstalt TLM zu entnehmen - 45 Minuten regionale Berichterstattung in der Woche (!), also weniger als sieben Minuten am Tag, als Lizenzgrundlage hat?
Die Frage stellt sich sich auch im Zusammenhang mit einer anderen, wohl ewigen Diskussion - der um die Quote. Die findet gerade mal wieder angesichts der jüngsten Veränderungen im Programm von MDR Sputnik statt und spiegelt sich auch bei uns in den Kommentaren.
Flankiert wird das von Aussagen wie dieser aus der oben erwähnten TLM-Analyse:
"JUMP hat jedoch nach wie vor den niedrigsten Informationsanteil mit 14,4 Prozent."
Darf, soll, muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk massenkompatible Jugendradio-Programme wie "Jump" und dann jetzt wohl auch "Sputnik" anbieten? Oder muss das Programm gerade, weil eben auch ein inhaltlicher Anspruch gefordert ist, gegen den Strich gebürstet sein?
In diesem Zusammenhang noch ein weiterer (Rück-)Link: So abwegig der Vorschlag im ersten Moment auch erscheinen mag, je länger ich darüber nachdenke, desto spannender finde ich ihn. Der Dresdner Medienexperte Heiko Hilker hat vor nicht allzulanger Zeit in einem Stück für Carta eine Frage gestellt, die ich schon einmal hier im Blog zitiert habe:
"Wäre es angesichts einer solchen Entwicklung nicht folgerichtig, bestimmte Formate, die öffentlich-rechtlichen Ansprüchen genügen, durch Rundfunkgebühren zu finanzieren, egal auf welchem Sender sie laufen?"
Peter Stawowy
September 30, 2010
Ich möchte Günther Jauch nicht finanzieren, egal, auf welchem Sender er läuft.
Und die Wildecker Herzbuben auch nicht. Obwohl sie "öffentlich-rechtlichen Ansprüchen" genügen.
Jedes System mit Zwangsgebühren oder Zwangsbeiträgen hat ein Problem. Einmal in die Welt gesetzt, lässt es sich nicht mehr bremsen, wird immer teurer und nimmt anderen die Luft zum Atmen.