Montags halb vier im Hörsaal 2 der August-Bebel-Straße. Über drei Reihen schreien sich die Studenten des ersten Semesters der Kommunikationswissenschaft ihre Erlebnisse des vergangenen Wochenendes zu. Der letzte Cappuccino wird noch schnell ausgeschlürft. Auch ein verspäteter Student stürmt durch die Tür und findet seinen Platz in den hintersten Reihen. Plötzlich: Respektvolles Schweigen. Der Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaft, Prof. Dr. Donsbach – von seinen Studenten auch liebevoll "Donsi" genannt – betritt den Raum. Heutiges Thema: Nachrichtenfaktoren. Wissenschaftlich wird den Studenten dargeboten, warum sich Journalisten für bestimmte Meldungen eher entscheiden als für andere. An sich ganz spannend. Hört sich wichtig an.
Aber was wird eines Tages aus einem Kommunikationswissenschaftler, kurz KoWi, mit diesem Wissen?
Von Siyana Yankova, Lisa Stiemer, Mireille Huditz, Franziska Raese
Printmedien, Agenturen, Unternehmenskommunikation, Marketing, Werbung, Umfrageforschung – die Wege sind vielfältig. "Wenn ich noch anfange, die Branchen alle einzeln aufzulisten, da ist von A bis Z alles dabei", meint Heike Großmann, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Dresden. Sie muss es ja wissen, hat sie doch selbst Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden studiert und dort 2003 ihren Magisterabschluss erlangt. Anschließend war Großmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut tätig und erhielt durch den engen Kontakt zu Studenten einen großen Überblick über die vielseitigen Berufsmöglichkeiten.
Die Absolventenstudie 2002 des Instituts für Kommunikationswissenschaft, kurz IFK, hat ergeben, dass ein Viertel der Absolventen im Journalismus arbeitet, dicht gefolgt von Wissenschaft und PR/Öffentlichkeitsarbeit. Heike Großmann hat sich ebenfalls nach der Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Letzteres entschieden. Ihr Aufgabenfeld umfasst die Ausgestaltung des Internetauftritts, die Produktion des Amtsblattes, die Organisation aller Ausstellungen im Rathaus sowie die Verfassung von Pressemitteilungen der Stadt Dresden.
In ihrem Arbeitsalltag kann sie oft auf das im Studium erlangte Wissen zurückgreifen. Es ist nicht die Aufzählung auswendig gelernter Theorien, es ist vielmehr die Verinnerlichung dieser Sachverhalte. "Das ist, was ich durch das Studium gelernt habe, dass man journalistisch denkt. Es ist das Wichtigste: Kreativität zu haben und auch Ideen mit zu entwickeln."
Knut Köhler, Pressesprecher der Sächsischen Landesärztekammer und ebenfalls ehemaliger KoWi-Student, meint, dass man nicht alles Gelernte nach dem Studium vergessen sollte. Trotzdem sind diese Kenntnisse nur ein Drittel von dem, was man später im beruflichen Alltag benötigt. Vielmehr muss man neben dem Studium praktische Erfahrungen sammeln, persönliche Kontakte aufbauen und lernen, sich selbst darzustellen.
Köhler studierte von 1993 bis 1999 Kommunikationswissenschaft mit Nebenfach Politik und Recht auf Magister an der TU Dresden. Noch während seines Studiums nahm er eine Halbtagsstelle bei der Landeszentrale für politische Bildung in der sächsischen Landeshauptstadt an. Darüber hinaus konnte er beim MDR, dem sächsischen Landtag, dem Theater der Welt und dem Zentrum für zeitgenössische Kunst einen Einblick in verschiedene Medienberufe gewinnen.
Praktika sind also offenbar für einen gelungenen Berufseinstieg von Vorteil. Nicht nur, weil man Einsicht in verschiedene Medienbereiche erhält, sondern auch, um persönliche Kontakte zu knüpfen, die laut Köhler wichtiger sind als schnell "erklickte" Freunde in sogenannten "Social Networks" wie XING oder StudiVZ. Außerdem trifft man Leute, die kompetent und professionell sind. Darüber hinaus sollte man in möglichst unterschiedliche Bereiche hineinblicken. "Denn irgendwann weiß man zumindest, was man nicht will", erklärt Knut Köhler aus eigener Erfahrung.
Natürlich geht es auch ohne Praktika, aber dann mit Nebenjobs. Kerstin Steglich ist der beste Beweis dafür, wird sie doch sogar vom IFK als eine der erfolgreichsten Absolventen angesehen. Seit dem 6. Semester arbeitet sie bei der Agentur Ketchum Pleon als Senior Consultant. Für die Tätigkeit in ihrem Unternehmen hat Steglich sogar ihren ursprünglichen Berufswunsch Journalist zugunsten der PR/Kommunikationsberatung über Bord geworfen.
Wenn man schon früh Berufserfahrung sammelt, dann ist die Umstellung nach dem Studium einfacher. Dies belegt auch die Absolventenstudie 2002, wonach 44% der Absolventen schon während des Studiums Kontakt zu ihrem jetzigen Arbeitgeber hatten und ein Viertel sogar von ihrem Arbeitgeber auf die Anstellung angesprochen wurden. In ihrem Fall übernahm Steglich nach und nach immer mehr Verantwortung, so dass das Studium neben dem Job parallel lief. Ob nun Praktika oder Nebenjob, entscheidend ist, dass man einen Einblick in den Bereich erhält. So kann man erkennen, "ob der Traumberuf tatsächlich ein Traum ist." Davon ist sie überzeugt.
Dabei muss es nicht immer der klassische Job bei der Lokalzeitung sein. Auch untypische Praktika, z.B. beim "Playboy", machen den Lebenslauf viel interessanter, findet die stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Dresden, Heike Großmann. Das sind Besonderheiten, die sofort ins Auge stechen.
Ein Praktikum bei einer Zeitung ist mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr, sondern Voraussetzung. Ein absolutes "No Go" für eine erfolgreiche Bewerbung ist, mit dem Satz "Hiermit bewerbe ich mich" anzufangen. "Da kann es mit der Kreativität nicht weit her sein", meint zumindest Großmann. Außerdem sollte man zeigen, dass man engagiert und interessiert ist.
Dresdner Kommunikationswissenschaftler brauchen sich aber nicht zu fürchten. Wie Ergebnisse der Studie zeigen, wurden 92 % der ehemaligen Studenten nach ihrem Abschluss erwerbstätig. Der Rest promovierte oder sammelte Auslandserfahrung. Lediglich drei Prozent waren arbeitssuchend.
Eins ist klar: Die drei hier vorgestellten Absolventen des IFKs sind mit ihrer aktuellen Berufssituation zufrieden. Auch an ihrem Lebenslauf würden sie im Nachhinein nichts mehr verändern. Großmann sagt: "Es gibt nicht bessere, sondern andere Wege."
Dieser Text entstand im Rahmen des Seminars "Einführung in den Journalismus" am Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden (WS 2009/10). Abgabe war im Februar 2010. Dozent: Peter Stawowy
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