Große Nervosität und große Aufregung bei der Staatsanwaltschaft Leipzig: Nachdem am Dienstag "BILD" und am Mittwoch die "Morgenpost" Details aus dem Obduktionsbericht der ermordeten Michelle veröffentlicht hatten, will die Staatsanwaltschaft Leipzig nun wegen Geheimnisverrat - und in der Folge möglicherweise auch gegen Journalisten - ermitteln.
Beide Medien hat trotz der "Nachrichtensperre" berichtet, die von der Staatsanwaltschaft verhängt worden war - nach Veröffentlichung der Berichte hatten sich die Ermittler "entsetzt" über die Berichte gezeigt.
Die Staatsanwaltschaft prüfe ein Verfahren gegen "BILD", schreibt Meedia.de; man habe ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrat gegen Mitarbeiter der Ermittlungsbehörden eingeleitet, weiß Spiegel-Online. "Geklärt werden soll damit, wer vertrauliche Informationen an zwei Zeitungen weitergegeben hat", heißt es bei SpOn.
Wie erwartet wehren sich die Chefredakteure der betroffenen Blätter. Ein Schreiben von "BILD"-Chefredakteur Kai Diekmann wird bei Spiegel-Online zitiert:
"Die veröffentlichten Informationen seien nicht geeignet, dem Täter bei der Verwischung von Spuren zu helfen, heißt es in einem Schreiben von 'Bild'-Chefredakteur Kai Diekmann an Leipzigs Polizeichef Horst Wawrzynski. Im Übrigen könne eine Behörde eine Nachrichtensperre nur für ihre eigenen Mitarbeiter, nicht aber mit Wirkung für die Presse verhängen."
Meedia.de ergänzt dazu: "Diekmann verschweigt allerdings dabei, dass 'Bild' auch Einzelheiten des Tathergangs und der Tatorte publik gemacht hat."
Auch Mopo-Chefredakteur Peter Rzepus kommt zu Wort:
"Seinem Blatt seien Details seit Tagen bekannt gewesen. Man habe sich aber auf Wunsch der Polizeiführung bislang zurückgehalten. Nachdem andere Medien darüber geschrieben hätten, habe seine Zeitung auch über Details berichtet" (zitiert von SpOn).
Nun erwägt die Staatsanwaltschaft Leipzig auch ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten: ""Wir werden auch prüfen, ob Journalisten sich der Anstiftung oder Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen schuldig gemacht haben", sagt Staatsanwaltschaft-Sprecher Ricardo Schulz zu Meedia.de.
Die Leizpiger Volkszeitung hat zu den Ermittlungen ein Interview mit dem Polizeipräsidenten Horst Wawrzynski geführt - in dem er u.a. auf die Frage antwortet: "Warum ist es so wichtig, Ermittlungsdetails geheim zu halten?"
Zitat aus dem Interview:
LVZ: "Manche Berichterstattung dürfte jedoch auch pure Spekulation sein und weniger auf konkreten Quellen beruhen."
Wawrzynski: "Auch das behindert uns enorm. Wenn wir wegen eines immer wieder veröffentlichten Phantombildes, das mit dem Fall Michelle überhaupt nichts zu tun hat, sogar Hinweise aus Saarbrücken und sonstwoher bekommen, müssen wir dortige Dienststellen einschalten oder selbst zur Befragung Beamte schicken. Oder aber es wird uns eine angeblich wichtige Zeugin per Presse präsentiert, deren Beobachtungen dann aber nichts als heiße Luft sind. Mit dieser Art unseriöser Berichterstattung werden die Bürger verdummt, weil es schlichtweg nichts mit der Realität zu tun hat."
Überschrift des Interviews der "Leipziger Volkszeitung": "Polizeichef Wawrzynski über die Fahndung nach Michelles Mörder" (via Bildblog.de).
Update (6.9.): Der Branchendienst DWDL.de weiß von einem Antwortschreiben des Leipziger Polizeipräsidenten Horst Wawrzynski an "BILD"-Chefredakteur Kai Diekmann:
"Laut einer Mitteilung des Axel Springer Verlags habe Wawrzyski eingeräumt, dass eine seiner Aussagen in einem Interview missverständlich gewesen sei. Er hatte von einer Nachrichtensperre gesprochen, die sich nicht nur an die Presse richte, sondern auch nach innen, innerhalb der Polizei gelte. Dies sei als Nachrichtensperre für die Presse missverstanden worden."
Titel: "Polizei beantwortet Diekmanns Brief".
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