Heute thematisieren wir eine wirklich sehr bemerkenswerte Nachfrage in einer Pressekonferenz (das Video mit Ausschnitten ist unten und im Bild verlinkt) nach einem Regionalliga-Fußballspiel in Neugersdorf (im Landkreis Görlitz) am vergangenen Samstag (3.11.2018).
Die Nachfrage macht gleich zwei Aspekte deutlich, die aus unserer Sicht für die Einordnungen und Verläufe der aktuellen hitzigen gesellschaftlichen Debatten relevant sind.
Gastverein als "Kanaken" beschimpft
Zum eigentlichen Vorgang: Nach dem erfolgreichen Sieg des Berliner Athletik Klub 07 gegen den FC Oberlausitz Neugersdorf (4:0) spricht der Trainer der Auswärtsmannschaft im Rahmen der Pressekonferenz an, dass seine Spieler von der Tribüne aus mehrfach als "Kanaken" beschimpft worden sind. Später gibt der Berliner Verein zu dem Vorgang auch eine Pressemitteilung (bei Facebook nachzulesen) heraus.
Nachdem der Trainer des Athletik Klub 07 das Thema angesprochen hat, entschuldigen sich die Neugersdorfer Vertreter im Rahmen der Pressekonferenz und versprechen, der Sache nachzugehen. So weit, so richtig.
Dann folgt eine Nachfrage aus dem Publikum der Pressekonferenz (hoffentlich keine Journalistin!) in Richtung des AK-Trainers, die etwas sprachlos macht:
"Aber Sie wissen doch jetzt, dass das in allen Medien und allen Kanälen rauskommt. Ich meine, klar, sie sind da entsetzt gewesen..."
Da unterbricht der AK-Trainer schon und macht klar, dass nicht die Neugersdorfer die Opfer sind. Sondern die Täter.
Etwas später formuliert auch der moderierende Vertreter aus Neugersdorf, dass da noch mit einigen Leuten zu reden sei, steht also zu dem Vorgang und verspricht Klärung - und schiebt nach: "Ich hoffe nicht, dass das jetzt so hochkocht...".
Mediale Bewertung des Vorgangs
Wir fassen zusammen: Ein Teil der Neugersdorfer Fans beschimpft den auswärtigen Verein als "Kanaken" - eine klare, rassistische Äußerung. Die nachfragende Person aus dem Publikum aber begibt sich gleich mal vorsorglich in die Opferrolle – vermutlich mit der Intention, den Heimatverein schützen zu wollen vor dem medialen Shitstorm, der droht.
Was für eine verkehrte Welt! Wahlweise besteht bei ihr kein Unrechtsbewusstsein in Bezug auf die Beschimpfungen - dabei sind die Äußerungen klar rassistisch und damit strafrechtlich relevant - dann fragt sie aus Unwissenheit oder Unbedarftheit. Oder sie ist klar Rassistin...
Der andere Aspekt, der aus der Nachfrage deutlich wird – und sie damit in gewisser Weise wieder nachvollziehbar macht: Der mediale und direkte Shitstorm ("Ich hoffe mal nicht, dass das jetzt so hochkocht..."), der aus so etwas entstehen kann - das gab es früher nicht. Stehen da aber "Schuld" und "Strafe" noch im angemessenen Verhältnis zueinander?
Bitte nicht falsch verstehen: Klar muss jede rassistische Äußerung angeprangert, medial thematisiert werden. Aber Medienlandschaft und -mechanismen geben solchen Vorgängen immer häufiger eine Dynamik, die nicht unbedingt dazu beitragen dürfte, dass sich auf der Neugersdorfer Tribüne zukünftig die Erkenntnis über ein Falschverhalten einstellen könnte...
Trotzdem: Nicht berichten ist sicher keine Lösung!
Wie also medial korrekt damit umgehen? Wir freuen uns über Diskussionsbeiträge!
Hier finden Sie Video-Ausschnitte aus der Pressekonferenz.
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