#TuHK: Wie der Tweet die Lücke füllt

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Steffen Peschel ist Kulturmanager, Blogger und außerdem Initiator des ersten Dresdner Kultur Tweetups. In einem Gastbeitrag schildert er die Erfahrungen mit Twitter im Bereich der Kunst und Kultur.

(Foto: b.s.m. / BOX A)

Vergangenen Mittwoch fand im Museum Körnigreich in der Inneren Neustadt das erste Kultur Tweetup in Dresden statt. Das Museum, welches Werke des Dresdner Malers Hans Körnig ausstellt, lud zu einer Museumsführung ein und forderte dazu auf, während der Führung über die Veranstaltung zu Twittern. Gleichzeitig zur Führung im Museum konnte so das Event über einen vorher festgelegten und öffentlich bekannt gegebenen Hashtag direkt auf Twitter oder auf einer Twitterwall auf der Veranstaltungs-Webseite mitverfolgt werden.

Der Einladung folgten insgesamt 15 Gäste. Auch wenn nicht alle von diesen tatsächlich twitterten, kamen an diesem Abend über 200 Tweets zusammen und transportierten die vielen kleinen und großen Hans-Körnig-Geschichten ins Internet. Getwittert wurden neben Fotos und Gedanken zur Ausstellung auch O-Töne der Stieftochter von Hans Körnig, die gemeinsam mit der Kunsthistorikerin und Museumsleiterin Anke Rödel durch die Ausstellung führte.

Welche Rolle spielt Twitter für ein Museum?

Twitter hat durchaus das Potential, eine Lücke zu füllen. Kultureinrichtungen wie auch einzelne Künstler und Künstlerinnen sind darauf angewiesen, dass sie öffentlich wahrgenommen werden können. Während aber das kulturelle Angebot in den letzten Jahren immer größer geworden ist, ist der Platz für Kulturberichte nicht größer geworden. Die Möglichkeiten, über Werbung Aufmerksamkeit zu erlangen, sind sehr begrenzt und für viele Kleine auch komplett unmöglich.

Durch das Twittern der Erlebnisse während einer Museumsführung oder auch bei anderen Begegnungen mit Kunst und Kultur wird der Betrachter gleichzeitig auch zum Sender, Vermittler und Übersetzer. Das gute daran ist: Besondere Erlebnisse und damit auch die Emotionen (etwa am Tweet oben zu sehen, Link: https://twitter.com/visitatio/status/268781441318531072) werden sichtbar, weil man gerade dann etwas mit anderen teilen möchte, wenn etwas besonders berührt. Manchmal ist es auch ein spontaner Witz oder eine kleine ganz eigene Geschichte, die von der nächsten Begebenheit wieder verdrängt werden würde, würde man sie nicht vorher schnell in 140 Zeichen festhalten.

Im Nachgang entstehen dann noch weitere Geschichten, wenn die verschiedenen, gleichzeitig stattfindenden Perspektiven neu aufeinander gelegt werden. Ein Beispiel für solch ein spannendes Ergebnis habe ich in einem Beitrag über das erste Kultur Tweetup festgehalten.

Ersetzt Twitter die lokale Presse?

Auch wenn viel über Facebook, Twitter und Co. gesprochen und geschrieben wird, ist gerade Twitter immer noch ein “Minderheitenmedium”. Twitter allein könnte immer noch nicht viel ausrichten. Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass es möglich ist, mit einem Thema oder einer Veranstaltung, deutschlandweit gestreut, im Gespräch zu sein und unter allen Gesprächsteilnehmern nur fünf lokale Kontakte zu haben. Eine kleine Theatergruppe, die in der lokalen Theaterszene auftritt, könnte damit nicht viel anfangen.

Wichtig ist, ein großer Teil derjenigen, die Twitter sehr aktiv nutzen, kann man durchaus als “Medienmensch” bezeichnen. Und: unter Twitter-Nutzern gibt es Multiplikatoren, die auch in andere Medien einwirken. Twitter allein wird die lokale Presse nicht ersetzen. Denkbar ist sogar eher das Gegenteil. Twitter zeigt ein Stimmungsbild und hilft dabei, sich schneller einen Überblick zu verschaffen. Twitter ist also eher ein Werkzeug für den Journalismus, als dass es ihn ersetzt. Steffen Peschel

2 Kommentare
  • stefanolix
    November 18, 2012

    Wenn ich mich in die Rolle einer Museumsführerin, eines Malers, einer Bildhauerin oder eines Kurators versetze: Ich fände es sehr unhöflich, wenn meine Gäste dauernd auf ihren Smartphones herumfingern würden (ich sehe ja nicht, ob sie gerade begeistert über mich, über meine Bemerkungen, über meine Ausstellung und mein Museum twittern).

    ......

    Natürlich können Künstler via Twitter auf ihre jeweiligen Projekte aufmerksam machen. Doch die Anzahl der Tweets ist so groß, dass jede Botschaft nur ein Tropfen im Meer sein kann. Was hilft es denn den Künstlern, wenn ihre Tweets weltweit zur Kenntnis genommen werden [Zwischenfrage: nimmt jeder Follower wirklich jeden Tweet zur Kenntnis?], aber vor Ort niemand in die Galerie kommt?

    ......

    Ich verstehe nicht ganz, welche Lücke Twitter hier füllen soll: Wenn es wirklich eine Nachfrage nach mehr Kultur-Berichterstattung gibt, wird es auch ein entsprechendes Angebot geben (entweder über ein Sponsoring einer Vereinigung der lokalen Kulturschaffenden oder über Crowdfunding der Nachfrager). Nur scheint mir der »Leidensdruck« auf beiden Seiten nicht allzu groß zu sein.

  • Steffen Peschel
    November 18, 2012

    Zu Erstens: Der Vorbehalt, den du formulierst, ist berechtigt. Auch im FAZ-Artikel über Kultur Tweetups wurde er formuliert. Meiner Meinung nach ist es eine Frage der Organisation und der Kommunikation. Wir reden hier nicht von Massenveranstaltungen. Eine Führung mit mehr als 20 Teilnehmern wird auch ohne Smartphones schon schwierig. Bei einer Gruppe von - in unserem Fall - 15 Teilnehmern ist das gegenseitige Kennenlernen beim "Warmup" noch sehr gut möglich. Gegenseitig heißt eben auch, dass einer Museumsführerin, einem Maler oder einer Bildhauerin auch klar sein muss, was denn da bei den Teilnehmer/innen passiert. Das Interesse muss also tatsächlich beidseitig sein.

    Ursula Haun, Stieftochter des Künstlers, über das Tweetup: "Mich hat das Interesse und die Anteilnahme der doch zumeist jüngeren Besucher an Leben und Werk meines Stiefvaters sehr gefreut und auch gerührt. Auch nach der offiziellen Führung gab es regen Austausch mit den „twitternden“ Besuchern."

    Zu Zweitens: Die Sache gestaltet sich etwas anders. Ich z.B. habe über 3.000 Follower, würde aber niemals behaupten, dass ich mit einem Tweet direkt 3.000 Menschen erreiche. Das ist zunächst reines Zahlen-Foo. Was aber zählt, sind konkrete Gespräche. Ein großer Teil der Tweets, die an dem Abend über den gemeinsamen Hashtag #TuHK (Tweetup Hans Körnig) versendet wurden, stammten nicht von denen,die nicht vor Ort waren, sonder von Twitterusern, die live zugehört mit auch nachgefragt haben. Der im Artikel eingebettete Tweet beschreibt das Ergebnis eigentlich ganz gut.

    Was zusätzlich eine wichtige Rolle spielt, die Konzentration liegt vielleicht auf Twitter, andere Kanäle und Medienformen spielen aber mit ein. Du findest jetzt Fotos auf Pinterest oder auf Flickr. Während des Tweetups wurden auch Links mit Informationen über Hans Körnig auf Twitter geteilt, in unserem Fall sogar von Teilnehmern, die zuhause am Rechner saßen.

    Zu Drittens: Ich kann natürlich nicht für alle Medienvertreter sprechen, mein Eindruck ist aber, dass vielen Journalisten ein gut funktionierendes Werkzeug fehlt, um die Masse an Informationen in Form von Pressemitteilungen etc., sinnvoll bewerten und filtern zu können. Der Platz im Print ist von Vornherein sehr knapp, von daher muss gefiltert werden. Der einzige Filter, der meiner Meinung nach zu oft zum Einsatz kommt, ist, weil es wahrscheinlich an Alternativen fehlt, Mainstream. Für den Kulturbereich kann ich sagen, es ist fatal!

    Ich finde es auch falsch, von der Kunst zu verlangen, dass sich deren Protagonisten zunächst organisieren müssen, bevor sie stattfinden kann oder darf. Auch das wäre ein zusätzlicher Filter, der nicht unbeeinflusst vom Mainstream funktioniert. Dieser Logik kann und will sich Kunst aber nicht unterordnen. Wir sprechen hier schlicht auch von einer Aufgabe, für die der Journalismus eine Lösung zu finden hat und nicht die Kunst. Wäre es anders herum, wäre er wirklich nur noch Erfüllungsgehilfe der PR.

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