Liebes Tagebuch, … – Frauen im Web 2.0

Wenn es eins zu zehn steht, dann handelt es sich entweder um eine beschämende Niederlage seitens der Gastgebermannschaft oder um das Verhältnis von Frauen zu Männern in politischen Diskussionen auf Facebook. Ähnliches Szenario, anderes Medium: In den deutschen Blogcharts von August finden sich unter den ersten 20 Plätzen gerade einmal 2, bei denen eine Frau als verantwortlich angegeben ist.

Ich bin eine von vielen!

Umso erstaunlicher, da laut einer Studie von 2006 bis dato die Mehrzahl der Blogs unter weiblicher Autorinnenschaft registriert waren. Das ist zunächst nicht verwunderlich, sagt Nina Haferkamp, Juniorprofessorin für emerging communications and media an der TU-Dresden, und erklärt, warum es mehr weibliche als männliche Blogger gibt: "Ursprünglich beschreibt der Begriff Weblog ja ein virtuelles Tagebuch. Aus der Forschung wissen wir, dass das Tagebuch an sich eher von Frauen genutzt wird."

Screenshot von Kleinstadtcarrie - Link: http://smalltowncarrie.blogspot.com/

Eine junge Frau, die in dieses Bild der ursprünglichen Weblogger passt, ist Luise M. Die 17-jährige Freitalerin erinnert sich daran, schon Tagebuch geführt zu haben, seitdem sie gelernt hat einen Stift zielführend zu benutzen. Gepaart mit einer hausgemachten Leidenschaft für Fotografie, wurde aus dem Hobby, Outfits von sich ins Internet zu stellen, ein werbefähiger Blog.

Unter dem Synonym 'Kleinstadtcarrie' postet sie nun seit 1,5 Jahren Fotos von sich und Texte über ihr Leben. Liebe, Schulstress, Traurigkeit und Freude. Und lässt damit regelmäßig eine mehr oder weniger anonyme Masse in ihre persönlichen Räume. Aber sie hat sich daran gewöhnt, andere so öffentlich an einem Ausschnitt ihres Lebens teilhabenzulassen. "Für viele meiner Leserinnen bin ich eine Art Freundin geworden. Und eine Freundin erwartet natürlich einen gewissen Grad an Intimität wenn ich ihr schreibe."

Ebenfalls schon immer eine fleißige Tagebuchschreiberin ist Jana Mänz. Die studierte Geografin betreibt mit janasworld.de einen Fotografieblog, der im Wikio-Ranking von Dezember diesen Jahres auf dem ersten Platz der sächsischen Blogs gelandet ist. Mit der Geburt ihres Sohnes fing sie an, die Themen zu teilen, die sie als junge Mutter interessierten - ein typischer Windelblog. Inzwischen ist Jana selbständige Fotodesignerin und Redakteurin und die Windelthemen haben sie und ihr Sohn schon längst hinter sich gelassen. Ihren Blog nutzt sie seitdem zur privaten aber auch zur beruflichen Vernetzung. "Mit ist es wichtig, dass hinter dem Blog eine reale Person erkennbar ist. Authenzität ist das, was bloggen ausmacht."

Ich bin, was ich euch preisgebe

Professorin Nina Haferkamp

Dieses Selbstverständnis passt zu den Forschungsergebnissen von Juniorprofessorin Haferkamp. Zusammen mit zwei Kolleginnen hat sie  die unterschiedlichen Nutzungsmotive für soziale Netzwerke untersucht und dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern festgestellt. So stehe für beide das in-Kontakt-treten mit Freunden an oberster Stelle. Jedoch ist der Umgang, mit den sozialen Netzen als Plattformen der Selbstdarstellung ein grundverschiedener. "Wir haben festgestellt, dass Männer oft sorgloser darüber sind, wie ihre Person im Netz wahrgenommen wird."

Frauen hingegen sind sich ihrer Außenwirkung sehr bewusst. Vor allem der Wirkung der Dinge, die sie mit Bildern, Profilinformationen oder in Diskussionen über sich preisgeben. Die eigene Person soll dabei möglichts positiv, aber dennoch authentisch erscheinen. Dazu kommt das Phänomen, dass Frauen mehr um ihre Online-Privatheit besorgt sind. Das zusammen erklärt auch die relative Kommentarscheu der weiblichen Internetnutzer. "Frauen sind zurückhaltender bei der eindeutigen Selbstpositionierung mit ihren Kommentaren, besonders bei kontroversen Themen. Sie fragen sich eher: 'Was gebe ich über mich selbst preis?'"

Tatsächlich gibt es in der Wissenschaft die Diskussion um die sogenannte Gender Gap im Interenet - eine 'Lücke zwischen den Geschlechtern'. Also die Frage danach, ob das Geschlecht einen Einfluss darauf hat, ob und wie man mit dem Internet umgeht. Ganz eindeutige Ergebnisse gibt es dazu nicht. Fotografiebloggerin Jana Mänz meint, zumindest eindeutige Beobachtungen in der Praxis gemacht zu haben: Männer seien die intensiveren Selbstvermarkter, aber auch die heftigeren Schaumschläger. "Während ein Mann schon tönt: 'Ich kann das', erlebe ich es oft, dass eine Frau zuerst hinterfragt: 'Kann ich das wirklich?'"

Bin ich mehr, wenn du weniger bist?

Screenshot Janasworld - Link: http://www.janasworld.de/

Um diese Unsicherheiten abzubauen und einen Raum ohne Schaumschlägerei zu schaffen, hat Jana Mänz ein Netzwerk für Gründerinnen und selbständige Frauen ins Leben gerufen. Die ausschließlich weiblichen Mitglieder profitieren davon, dass alle gestellten Fragen offen und ehrlich beantwortet werden. "Mir ist es wichtig, dass niemand die Frauen, die vor einer Existenzgründung stehen, mit Kommentaren wie 'lass es doch, wenn du zu blöd dafür bist' verunsichert." Sie selbst hat noch keine Erfahrungen mit Internetpöbelei gemacht. Allerdings ist Jana deshalb auch froh, nicht noch bekannter zu sein. "Schon die unsachlichen Kritiken anonymer Kommentarschreiber im Blog sind sehr demotivierend."

Elftklässlerin Luise lässt anonyme Kommentare auf ihrer Seite gar nicht erst zu: "Wenn jemand eine Meinung hat, dann soll er dazu auch stehen." Auch sie schätzt, wie viele andere, die positiven Aspekte der Vernetzung in den sozialen Medien. Der Kontakt mit den Lesern und das konstruktive Feedback, sagt sie, haben ihr geholfen in jeglicher Hinsicht ihren eigenen Stil weiterzuentwickeln.

Luise selbst bekommt hauptsächlich positive Rückmeldungen von ihren Lesern und Leserinnen. Allerdings hat sie das auf anderen Blogs auch schon ganz gegenteilig beobachtet. Da wurden einige Blogschreiberinnen regelrecht fertig gemacht - von anderen Mädchen. "Ich habe das Gefühl, dass es eine große Kokurrenz zwischen einigen Bloggerinnen gibt."

Jana Mänz teilt dieses Gefühl, nicht nur im Bezug auf die Blogosspähre. Für ihr 2012 anstehendes Web-Projekt für angehende selbständige Fotografen und Fotografinnen hat sie versucht, renommierte Dozenten und Dozentinnen zu gewinnen. Bisher haben, bis auf eine Ausnahme, nur die männlichen Kollegen zugesagt. Die Frage stellt sich, ob manche Frauen, andere aufstrebende Frauen gar nicht unterstützen wollen. "Das Konkurrenzdenken zwischen Frauen ist vielleicht ausgeprägter", beantwortet sich Jana Mänz die Frage. Vielleicht.

Die Frage die sich im Anschluss stellt: Ist es verwunderlich, dass jemand seine Position in einem Ungleichverhältnis von 1:10 zu behaupten versucht? Stephanie Teistler

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