In einem Brief an die Staatskanzlei (SK) Sachsen-Anhalt hat MDR-Intendant Udo Reiter am vergangenen Freitag (12.8.2011) Stellung zur Affäre Foht genommen. Der Brief ging in Kopie an die Rundfunk- und Verwaltungsräte sowie die Staatskanzleien in Sachsen und Thüringen und liegt FLURFUNK DRESDEN vor.
Aus ihm geht hervor, dass Reiter den MDR-Rundfunkrat am 31.8.2011 wegen der Angelegenheit zu einer Sondersitzung einlädt. Bei der Sitzung soll der Leiter der Untersuchungskommission, Ingmar Weitemeier von der ESECON GmbH, Bericht zum aktuellen Kenntnisstand seiner Untersuchungen geben. Der Unternehmensberater Weitemeier ist ehemaliger Chef des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern und von Reiter im Rahmen der Aufarbeitung des KI.KA-Skandals beauftragt worden, den Sender zu durchleuchten und zu prüfen, ob die Kontrollmechanismen funktionieren.
In dem vierseitigen Brief beantwortet Reiter eine Reihe von Fragen der SK Sachsen-Anhalt, die derzeit die Rechtsaufsicht über den MDR hat: etwa nach "Revisionsprüfungen im Programmbereich Unterhaltung". Demnach gab es 2009 und 2010 jeweils Prüfungen, wobei die 2009 aufgrund von anonymen Hinweisen erfolgte, während die Prüfung 2010 eine Regelprüfung war.
Die Revisionsprüfung 2009 war laut dem Schreiben mit dem Titel: "Prüfung zu Interessenkonflikten bei der Jose-Carreras-Gala 2009" versehen; dazu schreibt Reiter: "Die Vorwürfe einer Vorteilsnahme durch Dritte konnten durch die Revision nicht bestätigt werden".
Zu der Prüfung 2010 heißt es in dem Brief:
"Die Prüfung der Eigenproduktionen war demgegenüber eine Regelprüfung nach dem Revisionsprogramm 2009/2010. Dabei sind Defizite festgestellt worden. Die Revision hat hierzu konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die von mir bestätigt wurden. Eine Nachschau zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen durch die Revision im September 2010 hat ergeben, dass ein Teil der Empfehlungen umgesetzt wurde. Die ausstehenden Punkte wurden damals bei der Fernsehdirektion angemahnt. Die Umsetzung der noch offenen Punkte ist bislang noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Revision, die in diesem Zeitraum intensiv die Vorgänge beim Kinderkanal geprüft hat, befindet sich hierzu noch in Kontakt mit der Fernsehdirektion."
Das wirft kein so gutes Licht auf die Fernsehdirektion, die mit den Enthüllungen der "SUPERillu" von vergangener Woche (vgl. "Lesehinweis: die 'SUPERillu' über Udo Foht – wusste Reiter schon 2009 Bescheid?") ebenfalls ins Visier geraten sein dürfte. Allerdings ist der MDR ein schwerfälliger Verwaltungsapparat - dem Prinzip der Unschuldsvermutung folgend könnte man auch annehmen, dass die Nicht-Umsetzung möglicherweise doch den (langsamen) Strukturen geschuldet sei.
Wobei: Der "SPIEGEL" schreibt in seiner aktuellen Ausgabe (33/2011 vom 15.8.2011), dass die Affäre "zumindest Vietze (Anm.: gemeint ist der noch amtierender Fernsehdirektor Wolfgang Vietze), der im September ohnehin in Ruhestand geht, (...) vorzeitig seinen Job kosten" könnte. Auch die "Berliner Zeitung" hatte schon Anfang August von einer weiteren Personalie geschrieben, die noch folgen könnte.
Reiter geht in seinem Schreiben auch auf eine Reihe anderer Punkte ein, die als Fragen von der SK Sachsen-Anhalt gestellt worden sein dürften, etwa auf eine "von PWC empfohlenen Beschaffungsordnung Teil B, Programmleistungen". Diese hätten "die Programmdirektoren seinerzeit aus Praktikabilitätsgründen abgelehnt".
Zum Fall Foht schreibt Reiter, offenbar von der SK Sachsen-Anhalt auf einen von ihm vorgelegten Maßnahmekatalog vom März 2011 angesprochen:
"Nun zu den Punkten, die sich auf den Maßnahmenkatalog des MDR nach den Vorfällen beim KI.KA beziehen. Diesen hatte ich dem Rundfunkrat und Verwaltungsrat am 18.03.2011 vorgelegt. In der Tat stellt sich im Fall Foht die Frage nach der gebotenen persönlichen Distanz zu externen Geschäftspartnern. Seine Verhaltensweise ist - auch wenn es bisher keine Hinweise auf eine persönliche Bereicherung zu Lasten des MDR gibt - ein krasses Beispiel für die Verletzung des Mitarbeiterkodex, der für alle Mitarbeiter des MDR gilt.
Bereits 2009 und 2010 hat das MDR-BildungsCentrum für interessierte Mitarbeiter und Führungskräfte unter dem Titel 'Korruption erkennen und verhindern' bzw. 'Korruptionsprävention und interne Revision' entsprechende Seminare angeboten. Dies wird gegenwärtig noch verstärkt. Verpflichtende Schulungen für sämtliche Mitarbeiter des Kinderkanals haben bereits begonnen. Diese Pflichtschulungen sollen ab November 2011 auch im MDR stattfinden, beginnend mit den Führungskräften."
Mhm, der Verweis auf freiwillige Schulungen 2009 und 2010 ist eine ausgesprochen dürftige Antwort. Wobei unklar ist, wie weit der Maßnahmekatalog schon umgesetzt ist - oder ob das noch Zeit braucht.
Spannender wäre aber sowieso eine Antwort auf die Frage gewesen, wie sich die die MDR-Führungsspitze einschließlich Reiter persönlich, aber auch der Fernsehdirektion unter Wolfgang Vietze zu dem Bericht der "SUPERillu" stellt, sie hätten schon länger von Fohts seltsamen Finanzgebahren gewusst. Dazu ist in dem Brief nichts zu lesen.
Der umfasst aber noch wesentlich mehr Punkte - und der Vollständigkeit halber seien hier noch die wesentlichen angeschnitten:
Thematisiert werden auch die Gehaltspfändung Fohts ("Dieser vergleichsweise geringe Umfang hat keinen Verdacht auf Korruptionsgefährdung nahe gelegt"), die mögliche Beendigung der Zusammenarbeit mit in den Fall verstrickten Firmen ("Auch im Fall Foht prüfen wir, ob wir die Zusammenarbeit mit Firmen beenden müssen, wobei ich nochmals darauf hinweisen möchte, dass nach bisherigem Kenntnisstand keine Rundfunkgebühren veruntreut wurden"), die vom "Spiegel" beschriebene angebliche Millionenklage ("dem MDR eine solche Millionenforderung nicht bekannt ist"), Fohts Beratervertrag mit dem Fernsehballett ("Er war bis 2008 mit jährlich 6.135 Euro dotiert, ab 2009 mit 7.200 Euro") sowie die arbeitsrechtliche Anhörung Fohts - zu der dem Brief aber keine Details zu entnehmen sind.
Am Ende des Briefes beteuert Reiter:
"Seien Sie versichert, dass der MDR weiter aktiv an der umfassenden Aufklärung der Vorgänge arbeiten und fortlaufend über die Fortschritte unterrichten wird."
Wer weiß, was da noch so kommt.
August 15, 2011
Es gibt einen interessanten Satz im aktuellen SPIEGEL-Stück.
Dr. Johannes Beermann, Chef der sächsischen Staatskanzlei, lässt dabei einmal mehr erahnen, dass die Landesregierung beim Thema neuer Intendant auf externes Know-how setzen will: "Ich mache mir Sorgen um den Sender. Kaum eine Instanz in diesem Sender ist intakt." (Beermann).
Im Zusammenhang mit den (anders als der SPIEGEL schreibt)keineswegs neuen Vorwürfen um den Werdegang der stellvertretenden Intendantin und Justiziarin des MDR, Frau Prof. Wille, bedeutet diese Haltung für das Kandidatenrace um die Reiternachfolge, dass aus sächsischer Sicht kaum eine interne Besetzung gewählt werden könne. Heißt: Diestes und Willes Chancen sinken (zu lange im Skandalstadl an Bord). Möller - weil noch nicht so lange in der Ansatlt - könnte ein Kompromisskandidat sein. Hilder (LVZ) gilt in Erfurt und Magdeburg jeweils als nicht vermittelbar und ist nahezu raus aus dem Rennen. Fragt sich, ob die sächsische CDU vielleicht noch einen Überraschungskandidaten von weit außerhalb aus dem Hut zaubert.