Jetzt wird es spannend: MDR-Intendant Udo Reiter hat heute (26.5.2011) seinen vorzeitigen Rücktritt erklärt. Im Laufe des Jahres werde er aus dem Amt ausscheiden, so die offizielle Mitteilung. Wörtlich heißt es dort (die vollständige Mitteilung des MDR dokumentieren wir weiter unten):
"'Nach gründlichem Nachdenken', so der dienstälteste Intendant der ARD, 'komme ich zu dem Ergebnis, dass ich von der Möglichkeit eines vorzeitigen Ausscheidens Gebrauch machen sollte. Ich bin im März dieses Jahres 67 Jahre alt geworden und lebe seit 45 Jahren im Rollstuhl. Das hat einige gesundheitliche Spuren hinterlassen. Davon abgesehen sind 20 Jahre ja auch genug und es ist Zeit, den Staffelstab an die nächste Generation weiter zu geben.'"
Reiter hat den Mitteldeutschen Rundfunk aufgebaut und in den vergangenen 20 Jahren zum erfolgreichesten Dritten Programm der ARD gemacht. Sein Vertrag läuft noch bis 2015, enthält aber eine Ausstiegsklausel, die er jetzt in Anspruch nimmt.
In einer Mitteilung an alle Mitarbeiter im MDR-Intranet, die FLURFUNK DRESDEN vorliegt, schreibt Reiter:
"Unser 20-jähriges Jubiläum scheint mir nun der richtige Zeitpunkt, den Staffelstab an die nächste Generation weiter zu geben. Bevor andere dies so empfinden und mir aus Höflichkeit nicht sagen mögen, will ich es lieber selbst in die Hand nehmen. Dies fällt mir umso leichter, als wir die großen Probleme der letzten Monate inzwischen ja weitgehend geklärt haben."
Auch in der offiziellen Pressemitteilung nimmt Reiter Bezug auf den KI.KA-Skandal, der den Sender in den vergangenen Monaten erschüttert hatte. Dort heißt es:
"Dies falle ihm, so Reiter mit Bezug auf die Betrugsaffäre beim ARD/ZDF-Kinderkanal, für den der MDR federführend ist, umso leichter 'als die Probleme um den KIKA in der Zwischenzeit weitgehend geklärt sind'."
Weitestgehend aufgeklärt - mag sein. Ob die bisherigen Konsequenzen ausreichten, bleibt aber umstritten. Wobei es senderintern heißt, Reiter höre nicht wegen des KI.KA-Skandals auf, sondern habe schon länger über den Rückzug nachgedacht.
Spannend wird nun, wer Reiters Nachfolger wird. Die Sendeanstalt befindet sich derzeit sowieso im Umbruch: Erst Ende vergangenen Jahres sind die Direktoren neu gewählt worden, darunter die vergleichsweise jungen Wolf-Dieter Jacobi als Fernsehchef und Sandro Viroli als Chef des Landesfunkhaus Sachsen. Beide treten in den kommenden Monaten ihre Posten an. Die Rundfunkanstalt hat außerdem vorsichtig mit dem Umbau in Richtung Trimedialität begonnen - u.a. mit der Berufung des neuen Chefredakteurs Stefan Raue.
Am Ende der offiziellen Erklärung heißt es:
"Der genaue Termin seines Ausscheidens wird dann von der Bestellung eines Nachfolgers abhängig sein."
Die Wahl eines Intendanten erfolgt laut MDR-Staatsvertrag (hier als PDF) durch den MDR-Rundfunkrat auf Vorschlag des Verwaltungsrats.
P.S.: Humor haben sie ja in der MDR-Pressestelle (s. Bildausschnitt aus der Mitteilung, Hervorhebung durch uns):
Hier dokumentieren wir die vollständige Mitteilung des MDR:
MDR-Intendant kündigt seinen Abschied an
"20 Jahre sind genug" - mit diesen Sätzen kündigte der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, Udo Reiter, heute seinen Abschied an.
Reiter wurde 1991 zum ersten Intendanten des neugegründeten Mitteldeutschen Rundfunks gewählt und zwischenzeitlich dreimal in seinem Amt bestätigt. Sein derzeitiger Vertag läuft noch bis 2015, enthält aber eine jederzeit anwendbare Ausstiegsklausel.
"Nach gründlichem Nachdenken", so der dienstälteste Intendant der ARD, "komme ich zu dem Ergebnis, dass ich von der Möglichkeit eines vorzeitigen Ausscheidens Gebrauch machen sollte. Ich bin im März dieses Jahres 67 Jahre alt geworden und lebe seit 45 Jahren im Rollstuhl. Das hat einige gesundheitliche Spuren hinterlassen. Davon abgesehen sind 20 Jahre ja auch genug und es ist Zeit, den Staffelstab an die nächste Generation weiter zu geben." Dies falle ihm, so Reiter mit Bezug auf die Betrugsaffäre beim ARD/ZDF-Kinderkanal, für den der MDR federführend ist, umso leichter "als die Probleme um den KIKA in der Zwischenzeit weitgehend geklärt sind".
Udo Reiter wurde 1944 in Lindau/Bodensee geboren. Ein Studium der Germanistik, Geschichte und Politischen Wissenschaft in Berlin und München schloss er mit einer selbstgefertigten Promotion über den expressionistischen Lyriker Jakob van Hoddis ab. Durch einen Verkehrsunfall sitzt Reiter seit 1966 im Rollstuhl. Nach einem Volontariat beim Bayerischen Rundfunk begann er dort seine journalistische Laufbahn als Wissenschaftsredakteur im BR-Hörfunk. Später wurde er Hauptabteilungsleiter für Politik und Wirtschaft, Chefredakteur und 1986 Hörfunkdirektor. 1991 ging er nach Leipzig und baute den MDR als Dreiländeranstalt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf. Unter seiner Leitung wurde der MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK Mitglied der ARD und Stimme des Ostens im Ersten Programm, zu dem er eine Reihe erfolgreicher Formate beisteuerte: neben Serien wie "In aller Freundschaft", "Um Himmels Willen" oder "Tierärztin Dr. Mertens" und dem Boulevardmagazin "Brisant" ist der MDR mit Tatorten, Polizeirufen und Dokumentationen im Ersten Programm vertreten und an den Reihen "Titel, Thesen, Temperamente", "Fakt" und "Plusminus" beteiligt. Das 3. Fernsehprogramm des MDR ist seit 14 Jahren das erfolgreichste Dritte Programm in der ARD.
Der Intendant des MITTELDEUTSCHEN RUNDFUNKS, Prof. Udo Reiter, hat heute den Vorsitzenden des Verwaltungsrates gebeten, seinen Dienstvertrag im Laufe dieses Jahres aufzuheben und ihn in den Ruhestand zu verabschieden. Der genaue Termin seines Ausscheidens wird dann von der Bestellung eines Nachfolgers abhängig sein.
Hier finden Sie die offizielle Mitteilung.
Mai 27, 2011
Und los: Wer wird Nachfolger, wer läuft sich warm? Wie sehen die Chancen von Möller, Dieste, Thärichen aus? Welche Karte sticht? Parteizugehörigkeit, Religion, geografische Herkunft? Ich tippe auf Dieste (Funkhauschef Thüringen). Dieste ist farblos, katholisch, unionsnah und journalistisch ohne Profil - eigentlich die Idealbesetzung. Fragt sich nur, ob er aufgrund seiner räumlichen Nähe zum KIKA in Erfurt weiter als unbelastet gilt. Flurfunk - bitte übernehmen Sie!
Mai 28, 2011
Allein die Aussage, eine öffentliche Ausschreibung sei nicht zwingend, offenbart das Dilemma des MDR. Das Sendegebiet hat sich stark gewandelt; es dürfte klar sein, dass mit der inhaltlichen Ausrichtung auf die von den Nach-Wende-Ängsten gebeutelten älteren Bewohner der Region in diesem Intendantenrennen kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Gleichzeitig drücken die Sparzwänge, während die Anstalt geprägt ist von Besitzstandswahrung einerseits und der Weigerung, den mit dem Früherwarjanichtallesschlecht-Unterton eingefahrenen Erfolg zu riskieren - schon gleich gar nicht, um möglicherweise den öffentlich-rechtlichen Auftrag mal ein wenig ernster zu nehmen. Wer sich auf diese Herausforderung einlässt, dürfte sich sicher sein, dass ihm der MDR größtmöglichen Schutz zuteil werden lässt - gewiss schon während des Auswahlverfahrens. Eine drohende Niederlage in einem Wettbewerb passt da nicht dazu. D.h. der neue Intendant wird uns präsentiert werden, ohne dass Alternativen vorher öffentlich diskutiert werden.