Wie das so ist: Das verlässt man einmal schon am Freitagnachmittag vorzeitig das Büro, da ereilt einen die Info, dass der MDR endlich den Namen des neuen Chefredakteurs bekannt gegeben hat. Stefan Raue, so der Name - eine Info, die wir kurzfristig und mit zwei Aktualisierungen von unterwegs ins Blog gehoben haben.
Aber von außen, mit begrenzten technischen Mitteln, lässt sich eine Einordnung samt Verlinkung nur schwer umsetzen. Daher hier ein weiterer Blogeintrag zur Personalie des MDR-Chefredakteurs:
Gleich zu Beginn der Link zur offiziellen Pressemitteilung des MDR, die sich gestern in diversen Branchenangeboten (teils 1:1 übernommen) breit machte: "Trimedialer Chefredakteur für den MDR". Immerhin gibt es Fotos von dem Mann im Netz, etwa hier bei Radioszene.de oder auch beim ZDF selbst.
Beim ZDF findet sich auch ein Lebenslauf. Bei dem fällt gleich mal auf: "1958 in Wuppertal geboren". Aha, ein Wessi also. Viel war im Vorfeld spekuliert worden, nicht Wenige hatten darauf gesetzt, dass jetzt ein gebürtiger Ostdeutscher zum Zuge käme. Das hätte bei den zwischenzeitlich kolportierten Titelanwärtern Thomas Braune und Tim Herden funktioniert - beide galten aber schon kurz nach der ersten Nennung als pure Spekulation mit wenig Chancen.
Der Neue bringt als Ostkenntnis in erster Linie die Redaktionsleitererfahrung von "Blickpunkt" mit - das ist das ZDF-Magazin, dass sich zur wohl eher quotenschwachen Zeit am Sonntagmorgen (gleich nach der Übertragung des Gottesdienstes) den ostdeutschen Themen widmet (wir wissen, wovon wir reden). Böse Zungen sagen, es sei das "Ostdeutschland-Ghetto" des ZDF, das in die hinterletzte Ecke, eben den Sonntagmorgen, abgeschoben sei.
Journalistisch ist Stefan Raue in jedem Fall sicher ein Vollprofi, die Stationen "heute journal" und stellv. Leiter Senderedaktion "heute" (s. Lebenslauf) stehen für sich. Aber, auch das fällt auf: Raue ist ein Fernsehmann. Online-Erfahrung hat er... vermutlich On-the-job gesammelt. Unterstellen wir mal wohlwollend. Und Radio-Kompetenz?
"Stefan Raue folgt dem Chefredakteur des MDR-Hörfunks, Christian Schneider, der im vergangenen Jahr in den Ruhestand ging, und dem Chefredakteur des MDR-Fernsehens, Wolfgang Kenntemich, der im Herbst 2011 in den Ruhestand treten wird."
Der Neue beerbt also gleich zwei Chefredakteure. Aber: Nachdem sein Hörfunk-Vorgänger Christian Schneider (hier der überaltete kressköpfe-Eintrag mit der Funktionsbeschreibung Chefredakteur Hörfunk /Stellv.Hörfunkdirektor/Programmchef MDR INFO) in den Ruhestand verabschiedet hatte, blieb dessen Posten eine ganze Weile unbesetzt. Hörfunk-Direktor Johann Michael Möller übernahm die Aufgaben kommissarisch.
Damals hieß es in der Gerüchteküche, man warte wohl auf den neuen Chefredakteur, der Radio (vorneweg MDRinfo) und TV (und ganz nebenbei auch Internet) vereinen solle. Doch dann aber übergab Möller zumindest einen Teil der Aufgaben, die des Programmchefs MDRinfo, rückwirkend zum 1. Dezember an Jana Hahn.
Was das wohl bedeutet? Immerhin müsste man zu dem Zeitpunkt schon in Verhandlungen mit Raue gestanden haben, möglicherweise stand die Personalie schon fest, sicher aber waren eine Reihe von Kandidaten-Namen im Spiel. Und Möller leitete die Kommission trimedialer Chefredakteur, die das Newsdesk-Modell ausgearbeitet hat, das erst kürzlich vorgestellt worden ist. Wie immer man es auch interpretiert: Radio-Kompetenz braucht Raue nun nicht mehr unbedingt - es gibt ja die (von Möller eingesetzte) Redaktionsleiterin für MDRinfo.
Trotzdem, man spart jetzt nicht nur einen Chefredakteur und schreibt groß "trimedial" drüber, weil das gut klingt. Wie viel Auswirkungen aber das neue Konzept und die Person Raue konkret auf das TV- und Radio-Programm und die Internetberichterstattung hat - das hängt sicherlich auch von der Bereitschaft der Direktoren ab, den Neuen machen zu lassen. Gewichtiger als die Personalie Raue scheint aus der Außenperspektive, dass der neue Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi u.a. deshalb gewählt wurde, weil er die Olympia-Berichterstattung aus Vancouver erfolgreich trimedial umgesetzt hatte.
Und was hat die Personalie des neuen Chefredakteurs für Auswirkungen auf das Funkhaus Sachsen? In einer Meldung des Branchendienstes dwdl.de zum trimedialen Newsdesk sind die Landesfunkhäuser erwähnt:
"Der künftige Chefredakteur soll dann den Austausch der aktuellen Berichte innerhalb der Programmdirektionen, der Hauptabteilung Neue Medien und der Landesfunkhäuser koordinieren und auch die Etablierung solch trimedialer Strukturen in der gesamten ARD fördern."
Ah ja, also keine. Denn ob das Newsdesk-Modell auch auf die Landesfunkhäuser heruntergebrochen wird, steht keineswegs fest - auch wenn das sicherlich wünschenswert wäre. Auch aus dem Rundfunkrat heißt es, darüber sei noch nicht gesprochen worden. Denn tatsächlich entscheidet über die Struktur des Landesfunkhaus Sachsen der jeweilige Direktor - und der ist für Sachsen gerade erst neu gewählt und kommt im Herbst 2011 ins Amt.
Überhaupt, bei so vielen Direktoren, ist so ein MDR-Chefredakteur eigentlich mächtig? Eine gute Frage. Im Organigram des MDR, dass die Organisations- und Leitungsstruktur der Rundfunkanstalt erklärt, taucht die Funktion jedenfalls nicht auf.
Ob mit dem neuen Chefredakteur also großartige Veränderungen einziehen? Zumindest in der Außenwirkung dürfte Raue es leicht haben, dem Sender mehr Gewicht als sein Vorgänger zu geben.
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