Das war's, das Twitter-Abenteuer von Udo Reiter ist beendet. Nach der Aufregung um den vermeintlichen Witz des MDR-Intendanten bei Twitter und der daraus erfolgten öffentlichen Aufregung sind nun alle Inhalte unter @mdrreiter gelöscht. Der Account ist noch da, allerdings ohne Verfolger und ohne Verfolgte - er ist schlicht leer (s. Bild oben).
Trotzdem ist die Geschichte noch nicht zu Ende: Reiters "Twittergate" wird kommenden Montag (6.12.2010) noch ein Nachspiel im Rundfunkrat haben, dem obersten Entscheidungsgremium (in Grundsatzfragen) des MDR. Dort steht nach einer Anfrage der Rundfunkratsmitglieder Falk Neubert, Udo Gebhardt und Markus Schlimbach die "Twitter-Nutzung des MDR" auf der Tagesordnung.
Die Rundfunkräte fragen ganz allgemein nach den bestehenden Regelungen innerhalb des MDR, den Erfahrungen des Senders und der Qualifizierung der Mitarbeiter zur Social-Media-Nutzung. Sie fragen aber auch speziell zu den Twitter-Aktivitäten des Intendanten. Zitat:
"Diese Äußerung des Intendanten auf seinem Account ist nicht die Äußerung einer Privatperson. Sie wird daher auch eins zu eins mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und konkret dem Mitteldeutschen Rundfunk in Verbindung gebracht – zumal Funktion als auch die web-Adresse des MDR im Account verzeichnet sind."
Konkret wollen die drei Rundfunkräte wissen,
"wie der Intendant zukünftig mit seinem Account verfährt und wie es gelingen kann, ein solches kommunikatives Desaster zukünftig zu verhindern."
Auch wenn das vor einigen Wochen noch anders klang: Reiter wird nun also am Montag verkünden, seine Twitter-Aktivitäten eingestellt zu haben. Tatsächlich hatte er schon mit der Verwendung des Kürzels "mdr" in seinem Twitter-Namen "mdrreiter" gegen die "Empfehlungen für die Nutzung von privaten Accounts in Sozialen Netzwerken" verstoßen, die der Rundfunkrat (Korrektur vom 5.12.2010) die Geschäftsführung Anfang Oktober verabschiedet hatte.
In diesen Empfehlungen heißt es aber u.a.:
"Der MDR begrüßt, dass seine Mitarbeiterinnen in Sozialen Netzwerken aktiv sind. Solange sie dies ausschließlich privat tun, liegen solche Aktivitäten in ihrer alleinigen Verantwortung. Grundsätzlich sind private Accounts nicht für dienstliche Aufgaben und Themen zu nutzen. Sie dürfen auch nicht den Anschein von Angeboten des MDR erwecken."
Das Beispiel Reiter mag lehrreich sein, es ist auch ein Zeichen für die Zukunft. Denn es ist die Übertragung der 1.0er-Kommunikationsform, einzelne Äußerungen von Personen medial auszuschlachten, um ihnen zu schaden. Es war ein schlechter Witz, ja, Reiter hat sich gleich darauf entschuldigt - so what? Diese und ähnliche Erfahrungen werden eins zur Folge haben:
Wir werden in Deutschland noch sehr lange warten müssen, bis sich Politik und andere Entscheiderkreise an Twitter und Co. herantrauen.
Dezember 4, 2010
"Wir werden in Deutschland noch sehr lange warten müssen, bis sich Politik und andere Entscheiderkreise an Twitter und Co. herantrauen" … ist natürlich Unsinn, wo diverse Abgeordnete aller Parlamente des Landes und sogar eine aktuelle Ministerin twittern.
Dezember 5, 2010
Es mangelt vielen einfach an Übung und dem Verständnis, dass Twitter zwischen Todernst, tief-sarkastisch, zynisch und oft auch einfach nur lustig, blöd und unsinnig schwankt.
Twitter ist, wie das normale Leben: Wenn ich jemanden falsch verstehen will, dann tue ich das.
Im Fall "Reiter" steckt hinter dem "anstößigen Tweet" vieles, was man dort hinein interpretieren kann:
- Optimismus, dass Gleichberechtigung für alle Gesellschaftsschichten existiert
- Sachkenntnis über die sinkenden Geburtenrate in der deutsch-deutschen Gesellschaft, höhere Geburtenrate in der deutsch -internationalen Gesellschaft
- Kritik an der Äußerung des Bundespräsidenten
Traurig, dass hochintelligent formulierte 140 Zeichen dann zerrissen werden, anstatt sie zum Anlass zu nehmen, nachdenklich zu werden und die dahinter liegenden Ängste aufzuarbeiten, Probleme aufzuzeigen und den Menschen zu vermitteln, dass das eigentliche Problem ihre Ängste selbst sind.
Der MDR setzt hier ein falsches Zeichen und vergibt mehr Chancen, als man sich dort wohl bewusst ist. Wo bleibt die Objektivität der Medien, wenn eigene Meinungen beim Pförtner gegen die Meinungen des Mediums eingetauscht werden? Warum ist es nicht auszuhalten, wenn jemand sagt:
"Ich vertrete hier die Meinung des Unternehmens, weil auch diese berechtigt ist. Privat habe ich eine andere Auffassung."
Dezember 5, 2010
@Daniel1: Die Zahl der twitternden Abgeordneten im sächsischen Landtag kann man an einer Hand abzählen. Die Vorbehalte gegenüber den Kommunikationsformen in Social-Networks sind gigantisch. Und Beispiele wie das von Reiter werden die Hürden nicht niedriger machen.
Insofern kann man schon davon ausgehen, dass es noch sehr lange dauernd wird, bis Angebote wie Twitter in der Politik ankommen.
Dezember 5, 2010
es fehlen vielleicht noch der nötige anreiz und teilweise das verständniss für die neuen medien.
ich kann nur empfehlen, über seinen schatten zu springen und sich der kommenden dinge zu öffnen... sie werden keinen halt machen.
"aber als mdr kann man ja noch mal die alten hörner auspacken... bevor sie eh bald weg sind" ;)
Dezember 5, 2010
Angst vor dem Neuen schwingt auf jeden Fall mit - so ähnlich war es als Gottlieb Daimler mit seiner Motorkutsche durch die Gegend fuhr oder der erste Anrufbeantworter sich Platz neben unserem Telefon eroberte (nur erinnern wir uns selten daran).
Wie lässt sich Angst nehmen?
Indem man den Ängstlichen an das Neue gewöhnt (nicht in zu großen Schritten). Erinnere mich noch an eine gute Freundin, die panische Angst vor Hunden hatte. So mussten wir unseren Schäferhund bei jeder Party in den Keller sperren. .... bis ihre Neugier ihre Angst überwiegte und sie langsam sich an den Schäferhund gewöhnte.
Sie wurden die besten Freunde und sie verlor nicht nur die Angst vor unserem Schäferhund, sondern ihre Phobie vor größeren Hunden komplett :-)
.... nicht anders ist es mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten und -tools. Nicht jeder kennt sich damit aus. Manche benutzen sie als ob sie nie etwas anderes im Leben genutzt hätten. 12-jährige Knirpse in Dresden erzählen einem, dass sie von ihren Lehrern in Bezug auf das Internet, Facebook, Twitter & Co. nichts mehr lernen könnten.
Ich schlage vor mit diesen visionären 12-Jährigen und anderen Enthusiasten den Kollegen des MDR und auch des Sächsischen Landtags praktisch zu erläutern, was Twittern & Co. wirklich bringen kann (neben all dem Evil Stuff).
Beste Grüße zum ausklingenden Advent
Ralf
PS.: Nächsten Dienstag ist Dresden Ort des Fünften Nationalen IT Gipfels, http://twitter.com/itgipfelblog
Dezember 7, 2010
Wenn's ein hoher Angestellter von D_ll gewesen wäre, der sich bei Tw so klar als D_ll-Manager mit Link zur D_ll-Webseite darstellt, nach so einem schlechten Witz Ärger mit der PR/Marketing-Abteilung kriegt, würdet ihr dann auch sagen, dass eben dieses Unternehmen Web0.0 ist?
Ich finde es sehr nachvollziehbar, dass der mdr nicht mit schlechten Witzen eines hohen Angestellter - in seiner Eigenschaft als mdr'ler - in ein schlechtes Licht gerückt werden will.